Hallo...

 

Ich bin keine Betroffene, nur eine ganz normale Patientin.

Warum kann ich dann die Wut und Hilflosigkeit der Menschen verstehen, 
die hier versuchen sich zusammenzutun???
 

Weil ich auch ein Patient bin, ein ganz normaler Durchschnittspatient.

Aber was einem da so passiert ist nicht normal.

Ich erzähl einfach mal ein wenig....

 

Am Anfang unserer Ehe haben wir uns Kinder gewünscht. 
Mein Mann hatte eine Tochter in die Ehe mitgebracht und wir wollten kein Einzelkind.

Leider lief das alles nicht so gut. 
Ich wurde schwanger, hatte im 3. Monat eine Fehlgeburt, wurde wieder schwanger, hatte wieder eine Fehlgeburt und wurde wieder schwanger.

Diesmal hielt die Schwangerschaft etwas länger, aber Anfang des 5. Monats setzten wieder Blutungen ein. 
Ich kam in die Uniklinik.

Der Professor hat geschallt und die Studenten standen rundum. 
Er hat ihnen erklärt, woran man sehen kann, das der Fötus tot ist. 
Ich habe das so nebenbei erfahren, mit mir persönlich hat man nicht geredet.

Ich bin mir vorgekommen wie ein Objekt.

Der Fötus konnte nach der Ausschabung nicht untersucht werden, da Wochenende war und das Labor nicht besetzt war.  Warten konnte man auch nicht, weil ich sonst eine Blutvergiftung bekommen hätte, hat man mir gesagt.

Wenn man 3 mal eine Fehlgeburt hatte, hat man viele Fragen. 
Woher kommt das, verhalte ich mich falsch?? 
Man macht sich Vorwürfe und fühlt sich schuldig.

Wir hatten einen Termin bei dem Herrn Professor und ganz viele Fragen.

Seine Antwort auf alles war:“ das ist wie bei Bienen, die fliegen auch von Blüte zu Blüte, und das gibt auch nicht immer ein Äpfelchen!“

Wir kamen uns nicht ernst genommen vor, total verarscht und verletzt.

Nach dieser 3. Fehlgeburt hatte ich lange Probleme und lange Zeit kein Vertrauen mehr zu Frauenärzten.

Jahre später haben wir es noch mal versucht. Die ganze Latte: Hormone, Inseminierung, Bauchspiegelung.... das ganze Programm, ohne Erfolg.

Dann irgendwann,  wurde ich wieder schwanger, im 12. Ehejahr. Unsere Tochter, die nicht alleine aufwachsen sollte, stand im Abitur. 
Wir haben einen gesunden Jungen bekommen und sind wirklich dankbar.

Dann, unser Sohn war 4 Jahre alt, ging es mir nicht gut. Die Blutsenkung war schlecht, ich hatte Fieber und Durchfall, konnte nicht schlafen, hatte Bauchweh und war mir sicher, ich habe Krebs. Nach einem Jahr und 6 Monaten kam man endlich drauf, das ich Morbus Crohn habe, eine chronische Darmentzündung.

Man musste mir den Namen der Krankheit auf einen Zettel schreiben, weil ich mir ihn nicht merken konnte. Über diese Krankheit informiert habe ich mich durch Bücher.

Es ist nicht lustig Morbus Crohn zu haben. Eine Halsentzündung wäre mir lieber, weil es einfacher ist, sich in den Hals gucken zu lassen, als in den Po. Aber ich denke jeder hat seinen wunden Punkt, und ich kenne meinen und kann damit jetzt ganz gut umgehen. 
Bei anderen ist der wunde Punkt z.B. das Herz, sie merken und wissen es vielleicht nicht , und fallen irgendwann tot um.

Ich war einfach froh für meinen Zustand einen Namen zu haben.

Ich bekam eine Überweisung in die „Proktologie“. Der Name hätte mir schon zu denken geben sollen, aber damals war ich noch naiv.

Natürlich musste ich Stunden warten, aber ich habe mich nett unterhalten.  
Der junge Mann neben mir fragte mich, was ich für eine Darmkrankheit hätte und ich war ganz entsetzt, weil ich dachte,  man sieht es mir schon an. 
Ich wusste nicht, das Proktologen Spezialisten für Enddarmuntersuchungen sind. 
Wir kamen dann gleichzeitig in nebeneinanderliegende Kabinen und wir sollten so nette grüne Hosen anziehen. 
Meine hatte einen Schlitz und ich hab sie zurückgegeben, weil ich dachte, es ist eine Herrenhose.
Alle fanden das ziemlich lustig und der nette junge Mann sagte, das diese Hose mir auch passt und der Schlitz nach hinten kommt. Da hatte dann auch ich verstanden.

Na ja, das war mal lustig...

Dann, kurz drauf hatte ich im Genitalbereich ein merkwürdiges Gefühl und war beim Frauenarzt. Er sagte, da ist ein Abszess im Dammbereich, erbsengroß und er hat mich in die Uniklinik überwiesen. 
Kein Reden half,  es musst rektoskopiert werden. Dabei  wird ein festes Rohr ziemlich weit in den Enddarm geschoben. 
Natürlich hat man nichts gefunden, wie auch... der Abszess war ja keinen cm weit weg.
Ich bin wieder heim. Am 2. Tag bin ich wieder zum Frauenarzt, wieder in die Klinik, wieder Kohlloskopie wieder nichts gefunden.
Am 3. Tag konnte ich kaum noch laufen. Ich bin wieder zum Frauenarzt, der  dann ausrastet ist und er hat in der Klinik angerufen und ziemlich Ärger gemacht. Der Abszess war mittlerweile apfelsinengroß,  ich konnte nur noch ziemlich breitbeinig in die Klink laufen.

Dann waren plötzlich alle wach und aufgeregt, ich musste sofort unterschreiben, das sofort operiert werden muss und das ich mit einem 2. Darmausgang einverstanden bin. Ich wurde sofort vorbereitet mit Transfusionen und Rasur und konnte grad noch meinen Mann anrufen und organisieren das jemand meinen Sohn vom Kindergarten abholt...
Und dann, durch die vielen Untersuchungen, ist wohl das Abszess so gereizt worden, das es aufgegangen und abgelaufen ist.

Sie wollten trotzdem noch operieren, aber ich habe die Transfusionsnadel aus dem Arm gezogen, hab mich angezogen, bin in die Kantine und hab da auf meinen Mann gewartet...

Die haben mich nie wieder gesehen, aber als ich die Akte haben wollte, konnte man nichts mehr finden.....
Dieser Vorgang ist nicht (mehr) aktenkundig...

Ich habe mich missbraucht gefühlt und gedemütigt.

Vor einem Jahr war ich bei einem Internisten zum Check Up. 
Er hat bei der Enddarmuntersuchung eine Zigarette geraucht mit der Begründung: „Nicht jeder hätte so ein sauberes Arschloch wie ich.“
Wie gesagt, ich hätte auch lieber eine Halsentzündung.
Er hat mich in die Chirurgie überwiesen. 
Meine Schilddrüse wäre eine Ruine, hat er gesagt.

In der Uniklinik hat man mich dann gefragt, ob ich operationsgeil wäre.... 
Das war hart....

Und das fand ich nicht mehr lustig...

Seit 4 Jahren habe immer wieder Brandblasen auf dem Rücken. 
Meine Schultern tun weh, ich lege mich auf ein Heizkissen. Ganz normal. 
Dann habe ich so eine Brandblase, die merkwürdigerweise nicht weh tut, aber auch nicht abheilt. Ich habe diese Blasen mehreren Ärzten gezeigt. 
Diese Brandblasen sind nicht normal, aber sie haben nicht zugehört. Sie haben gesagt, ich soll Brandsalbe drauf tun und gedacht haben sie wahrscheinlich, das mein Mann seine Zigaretten da ausdrückt.

Heute weiß ich, das ist „Epidermolysis bullosa aquisita“, eine Folgekrankheit des Morbus Crohn. Das weiß ich aber aus dem Internet und habe mir das in der Klinik nur bestätigen lassen. 
Mit ein bisschen mehr zuhören und ein wenig mehr Mühe, hätte ich weniger tiefe Narben auf dem Rücken.

Ich bin überzeugt davon, das manche Ärzte in großen Kliniken glauben, Patienten sind wie Kuchen.
Man muss sie gehen lassen wie Teig, sonst sind sie nicht mürbe genug...
Wie sonst ist es möglich, das in so großen Kliniken, wo Herzen ausgetauscht werden, Mikrooperationen möglich sind, wo die Patienten nur noch Nummern sind, wo geforscht wird und alles vernetzt ist, wo wahre Wunder passieren, wie ist es möglich, das man ohne 3-stündige Minimumwartezeit keinen Arzt sieht.

Mein Verhältnis zu Ärzten ist heute anders.

Sie sind auch nur Menschen, wie du und ich, mit guten und schlechten Tagen.
Nur, wenn ich Mist baue, bin ich dran und muss dafür grade stehen,
und das sollte bei ihnen auch so sein.

Wenn ich zum Arzt gehe, muss ich nicht bitte sagen... ich bin eine Art Kunde.
Er wird bezahlt für seine Arbeit und wenn ich nicht zufrieden bin, stelle ich ihn zur Rede.

Ich warte nicht mehr demütig in ungemütlichen Wartezimmern, nicht stundenlang.
Es kann was dazwischen kommen, ein Notfall, das ist ok.
Aber es ist nicht ok,  wenn alle Patienten eines Tages für morgens 8 Uhr bestellt werden.

Und ich will meine Unterlagen haben. Ich möchte die Ergebnisse der Untersuchungen schriftlich für meine Akten haben, und zwar zeitnah. Und wenn ich unsicher bin, möchte ich meine Krankenkasse anrufen können  und fragen, was denn abgerechnet worden ist.

Ich möchte, das man mir meine Untersuchungsergebnisse in mir verständlichen Worten erklärt. Wie oft hatte ich keine Zeit mehr um nachzufragen, weil der Zeitdruck durch die Wartezeit zu groß geworden ist.

Ich lasse keine Untersuchung zu, die ich nicht will und die ich nicht sinnvoll finde und ich gehe nicht, ohne zufrieden zu sein. Ich bin überzeugt, das ich oft genug ein Übungsobjekt war.

Und ich möchte, das man mir zuhört.

 

Auf jeden Fall lese ich mir den Brief jetzt vor jedem Arztbesuch laut vor, und versuche an alles zu denken und meine guten Vorsätze zu verwirklichen..

Vielleicht hilft es....

mit freundlichen Grüßen

eine ganz normale Patientin